Der Beweis des Jahrhunderts: Die faszinierende Geschichte des Mathematikers Grigori Perelman – Masha Gessen
Was bewegt einen der größten Mathematiker der Welt, sich zurückzuziehen, Menschen zu meiden, die allerhöchsten Preise und Ehrungen zu ignorieren? Hat der einfach nur ein Rad ab oder steckt da mehr dahinter? Die Autorin entpackt sehr schön, was alles hinter so einer komplexen Person wie Perelman steckt und gleichzeitig zeigt sie auch die Wechselwirkungen solcher Menschen mit dem kommunistischen System auf.
Zuerst bekommt man einen sehr guten Einblick in das sowjetische kommunistische System, vor allem in das Schulsystem. Es ist faszinierend zu lesen, was so ein repressives System bewegt und wie Menschen sich innerhalb so eines Systems bewegen und ihre Freiräume suchen.
Zweitens lernt man die exzentrischen (autistischen?) Mathematiker als Menschen kennen. Das ist sehr unterhaltsam, oft komisch, aber auch sehr interessant. Mir war gar nicht bewusst, dass Mathematiker vom kommunistischen Sowjetsystem sehr argwöhnisch und kritisch beobachtet wurden, ja einige wurden sogar der Mathematik wegen verfolgt und diskriminiert. Auch die antisemitische Seite dieses Systems wird sehr gut aufgezeigt. Die Mathematiker werden diskriminiert, weil sie Werte wie Wahrheit, Logik und Kohärenz an erste Stelle setzen – und diese sind ihnen wichtiger als jedes ideologisches System. Und jedes ideologische repressive System hat seine Probleme mit Menschen, die Wahrheit und Aufrichtigkeit als wichtigste Werte haben. Mathematik wird den Kommunisten zu einem Stachel im Fleisch, da sie ewige Werte repräsentiert und auf etwas hinweist, was jedes totalitäre System übersteigt!
Mathematik wird hier für atheistische Menschen zu einem transzendenten Fingerzeig, der ihnen eine Welt der Freiheit, der Wahrheit und der Schönheit aufzeigt, in die sie fliehen können und die ihnen hilft, den grausamen Alltag in einem kafkaesken irrationalem Regime zu ertragen. Ob die Mathematiker das bewusst wahrgenommen haben oder nicht (einige waren sehr religiös!), aber das, was sie letzen Endes an der Mathematik fasziniert hat, waren die Attribute und Eigenschaften des Wesen Gottes, die sie auf dem Wege der Mathematik und des Nachdenkens entdeckt haben – inmitten eines atheistischen totalitären Regimes.
„Die Wahrheit ist das Einzige, das unserer Anbetung würdig ist.“
Dies ist die Inschrift auf dem Grabstein des Mathematikers Danilowitsch, der einer der wichtigsten Mentoren für Perelman war.