Der moderne Mensch und ganz besonders auch der moderne (evangelikale) Christ ist meistens ein “hohler Mensch”, so wie Thomas Merton es beschreibt:
Ich liebe es, dieses falsche Ich zu verhüllen. (…) und ich hülle mich mit Vergnügen und Wonne in Erfahrungen wie in Verbände, um mich für mich selbst und für andere sichtbar zu machen, ganz so als wäre ich ein unsichtbarer Körper, der nur sichtbar werden kann, wenn etwas Sichtbares seine Oberfläche bedeckt. Doch unter den Dingen, in die ich mich hülle, ist keine Substanz. Ich bin hohl (…) Und wenn sie weg sind, bleibt nichts von mir übrig als Nacktheit und hohle Leere –Thomas Merton, New Seeds of Contemplation
Die einen hüllen sich in ihr Tun, Arbeit, Status und Identität und der Christ hüllt sich in seine Lehre, in seine “geistlichen Erfahrungen” und in seinen geistlichen Dienst. So ist beim Christen die Täuschung subtiler: Wir hüllen uns in etwas an sich Gutes, aber wenn wir es als Verkleidung benutzen, um unsere innere Leere damit einzukleiden, ist es umso gefährlicher.
Wenn ich Jesus begegne, werde ich erkannt, wie er mich erkannt hat: “Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.” (1. Kor 13:12). Das ist auch der Grund, warum so viele Menschen letztendlich Angst haben, stille zu werden und Gott nahe zu kommen: Wir erkennen, dass wir “arm, blind und bloß” sind (Offb 3:17) und Gott ist der, der die Herzen prüft (Sprüche 21:2).
Peter Scazzero vergleicht unser Leben mit einem Eisberg: Ein kleiner Teil ist sichtbar, der größte Teil ist jedoch unsichtbar. Das Hauptproblem mit dem heutigen Christentum ist, dass es nur den sichtbaren Teil des Eisbergs (unserer Seele) berührt (Peter Scazzero, Glaubensriesen – Seelenzwerge). William Lane Craig behauptet im folgenden Zitat dasselbe:
The problem, says Wells, is that while evangelicals have for the most part correct Christian beliefs, for far too many these beliefs lie largely at the periphery of their existence rather than at the center of their identity. At core they are hollow men, empty selves. –William Lane Craig, Philosophical Foundations of a Christian Worldview
Für müssen bei uns anfangen und brauchen eine “Ent-täuschung” (Bonhoeffer) über uns selber, eine Befreiung von jeder Selbsttäuschung. Jedes Mal wenn du dich innerlich fragst: “Wie konnte ich sowas nur tun?” beweist, dass du dich selber noch nicht tief genug kennst und dass dein Bild über dich selbst nicht mit Gottes Realität übereinstimmt.
“Die meisten von uns fallen ins Grab, ohne erfahren zu haben, wer sie sind” –Peter Scazzero
In der Nähe Gottes werden wir “erkannt” und erkennen uns selber. Wir können dies nicht alleine machen, das führt lediglich zur extrem ungesunden Selbstbespiegelung, ein Kreislauf des ständigen sich-um-sich-selbst-drehens, wobei mit jeder Drehung die Scham, Anklage und Schuld zunimmt. In Gottes Gegenwart ist es anders: Wir erkennen einerseits unsere Substanzlosigkeit, gleichzeitig aber auch seine Annahme und Geborgenheit.
Lass mich, Herr, mich selbst erkennen, auf dass ich Dich erkenne! –Augustinus